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29. November 2022

OEM-Recovery zerlegt Windows-System

Persönlicher Erfahrungsbericht über die Selbstzerstörung eines typischen Windows-PCs durch die OEM-Wiederherstellungsfunktion

Etwas – für mich zumindest – Unmögliches hat sich neulich auf einem frisch erworbenen Windows-Gerät, nämlich einem Microsoft Surface 4 Pro, zugetragen.

Gekauft hatte ich dieses Gerät bei einem sogenannten Refurbisher und zwar mit der Absicht, dort GNU/Linux zu installieren. Damit hätte ich neben meinem ThinkPad einen wesentlich schlankeren und leichteren Computer für unterwegs, der auch äußerst platzsparend sein kann, wenn man es braucht und sich auch per Touch-Steuerung bedienen lässt. Hierzu benötigt man allerdings, Stand November 2022, einen angepassten Linux-Kernel (siehe: https://github.com/linux-surface/linux-surface).

Allerdings wollte ich mir natürlich vor der Linux-Installation einmal das vorinstallierte Windows 10 näher anschauen, vor allem was den Speicherverbrauch und die allgemeine Performance anbelangt.
Für diesen Zweck habe ich mir am Computer ein Offline-Konto erstellt und irgendwelche Bullshit-Nutzerdaten angegeben, weil ich das Ding ja einfach nur Testen wollte.
Internet brauchte ich dazu – Gott sei Dank, muss man unter Windows sagen – auch nicht einzurichten. Auch, wenn Windows mich ständig zu gedrängt hat.

Nachdem ich mit dem Herumprobieren fertig war und das Gerät erst mal eine Weile liegen lassen wollte, bis ich mir weiteres Zubehör angeschafft habe, beschloss ich der Ordnung halber, das System einmal über die Wiederherstellungsoption auf Werkseinstellungen zurückzusetzen. Könnte ja sein, ich möchte das Zubehör auch noch eben schnell unter Windows testen und habe meine spontan ausgedachten Bullshit-Nutzerdaten nicht mehr im Gedächtnis.

Überraschend stellte ich fest, dass offenbar das Windows-eigene Interface für die Wiederherstellungsoption durch eine OEM-Variante, sprich eine vom Refurbisher entwickelte Lösung, ersetzt wurde. Dabei hat der Refurbisher am PC selbst so gut wie nichts angerührt, es wurden nur ein paar mehr oder weniger nützliche Programme, darunter auch LibreOffice (Pluspunkt!) vorinstalliert.

Wirklich intuitiv war dieses Benutzerinterface zum Zurücksetzen des PCs auf Werkseinstellungen nicht. Es gab zwar nur zwei Buttons zum Backup sichern und Zurücksetzen, aber man erhielt keinerlei optisches Feedback, ob die Eingabe registriert wurde oder ob überhaupt etwas geschieht. Drum habe ich nach locker 10 Sekunden Wartezeit es gewagt, den Button erneut zu drücken.
Nach ein paar weiteren Sekunden erhielt ich dann die Botschaft "Wiederherstellung fehlgeschlagen". Danke. Mehr Details hätten es nun wirklich nicht sein können.

Nach dem Neustart des Rechners versuchte Windows, eine automatische Systemreparatur durchzuführen. Typischerweise erfolglos. Weder das System, noch die Recovery(!) wollte noch booten.

Das wirklich Entsetzliche ist aber nicht, dass sowas überhaupt passiert, sondern dass der Refurbisher auf meine Anfrage hin, ob sie vielleicht OEM-Images (Datenträgerabbilder) zum Aufspielen auf den PC ihren Kunden zum Herunterladen anbieten, mir als Antwort mitteilten, dass sie in solchen Fällen nicht helfen können.

Ich wollte ohnehin Linux installieren, aber viele Leute müssten an dieser Stelle zusehen, dass sie ein Windows 10-Grundsystem und dann auch noch sämtliche Gerätetreiber installiert bekommen. Ich habe übrigens versucht, das Windows 10 Installationssystem via USB zu booten, jedoch wollte das Surface trotz angepassten BIOS-Einstellungen nichts anderes booten, außer Linux. Auf anderen PCs wiederum funktionierte das Booten vom Windows-Stick, dies weist auf ein nicht so tolles Boot-Image von Microsoft hin, denn das kenne ich auch von früheren Linux-Distributionen, die nicht z. B. den heute in der Regel genutzten GRUB als Bootloader nutzten.

Wenn nicht durch Software des PC-Vertreibers, dann durch Windows selbst

Dass sich Windows auch gänzlich ohne Aktion seitens des PC-Nutzers selbst zerlegen kann, ist ja heutzutage auch durch anerkannte PC-Fachzeitschriften bestätigt.

Schon wenige Zeit nach meiner Erfahrung mit dem Surface Pro, wurde mir vom Freundeskreis berichtet, dass sich durch ein Windows-Update ebenfalls der Computer von jemandem weigert, zu booten, und die automatische Systemreparatur nichts ausrichten kann. Praktisch dasselbe Endergebnis, wie bei mir auch.

Außer eine Neuinstallation mit dem damit verbundenen erneuten Einrichtungsaufwand und den ganzen Treiberinstallationen wüsste ich unter Windows keine andere Hilfe. Ich hatte mir auf meinem Surface das zerschossene System sowohl per cmd.exe als auch von Linux aus angesehen, und ich konnte nichts Ungewöhnliches feststellen.

Ob mit oder ohne Garantie vom Verkäufer, es ist nun mal eine sehr ärgerliche Sache, insbesondere wenn man wirklich auf das Gerät angewiesen ist.

Früher gab es wenigstens noch Windows-Installations-CDs, bzw. DVDs vom Verkäufer, dass man wenigstens immer die Möglichkeit hat, den PC – einschließlich Treiber!!! – mal schnell wiederherzustellen.

Heute hat man nur noch eine Wiederherstellungspartition auf dem internen Datenträger des PCs, die es ja sehr gut hinbekommt, sich selbst zu vernichten.

Vergleich zu Linux-Computerherstellern von heute

Abgesehen davon, dass Treiberinstallationen bei Linux-tauglichen Rechnern sowieso schon fast ein Fremdwort sind, muss ich einfach sagen, dass Computerhersteller, wie System76 (https://system76.com/) oder auch Tuxedo Computers (https://www.tuxedocomputers.com/) auch heute noch vollständige Installationsabbilder und Skripte für diverse Treiber jedem zum freien Download anbieten.

Bedeutet, der spezifische Computer kann mit nur einem USB-Stick (oder wahlweise auch CD/DVD) und einem einzigen Knopfdruck vollkommen automatisch auf den Werkszustand zurückgesetzt werden.

Demonstrationsvideos bei YouTube:

Im Stich gelassen wird man in der Linux-Welt auf jeden Fall nicht, so viel kann ich mal sagen. Und zwar ganz unabhängig davon, ob du irgendwo Kunde bist oder nicht.

Beim nächsten Totalcrash des Windows-PCs möchte man vielleicht mal bei der Neuinstallation von Windows, Linux daneben oder auf eine weitere Festplatte installieren. Zum Ausprobieren und ja, nur für den Fall.